Biokrieg by Paolo Bacigalupi

Biokrieg by Paolo Bacigalupi

Autor:Paolo Bacigalupi [Bacigalupi, Paolo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-4535-2757-7


18

Das Gerücht breitet sich wie ein Flächenbrand in der ganzen Stadt aus. Der Tiger ist tot. Die Macht des Handelsministeriums kennt keine Grenzen mehr. Hock Seng spürt, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellen, so sehr vibriert in Bangkok die Luft. Der Mann, der ihm eine Zeitung verkauft, lächelt nicht. Zwei Weißhemden, die Streife gehen, werfen den Passanten finstere Blicke zu. Die Leute, die Gemüse verkaufen, scheinen sich zu ducken, als handelten sie mit Schmuggelware.

Der Tiger ist tot. Es heißt, er habe Schande über sich gebracht, doch niemand weiß etwas Genaueres. Ist er wirklich entmannt worden? Haben sie seinen Kopf wirklich vor dem Handelsministerium auf einen Pfahl gespießt, den Weißhemden zur Warnung?

Hock Seng würde am liebsten sein ganzes Geld zusammenraffen und fliehen, aber die Baupläne in dem Tresor fesseln ihn an seinen Schreibtisch. Seit dem Malaiischen Zwischenfall hat er keine solche unterschwellige Spannung mehr verspürt.

Er steht auf und geht zum Fenster hinüber. Blickt durch die Fensterläden auf die Straße hinunter. Kehrt zu seinem Tretkurbelcomputer zurück. Kurz darauf hastet er zu den Fenstern, die auf die Fertigungshalle hinaus gehen, und beobachtet die Thai, die am Fließband arbeiten. Fast könnte man meinen, die Luft sei elektrisch aufgeladen. Ein Gewitter kündigt sich an, mit Wasserhosen und Flutwellen.

Gefahren außerhalb der Fabrik und Gefahren in der Fabrik. Mitten während der Schicht ist Mai mit hängenden Schultern wieder zu ihm hinaufgekommen. Noch ein kranker Arbeiter, den sie in ein drittes Krankenhaus bringen mussten, in das Sukumvit dieses Mal. Und dort unten, im Herzen der Fabrikanlage, greift etwas Entsetzliches nach ihnen.

Hock Seng bekommt eine Gänsehaut bei der Vorstellung, dass in den Bottichen eine Krankheit gärt. Er glaubt nicht mehr an einen Zufall – drei sind zu viel. Und es werden mehr, wenn er das Problem nicht meldet. Aber wenn er es meldet, werden die Weißhemden die Fabrik niederbrennen; Mr Lake wird die Pläne der Spannfedern wieder zurück mit über den Ozean nehmen, und dann ist alles verloren. Es klopft an der Tür.

»Lai.«

Mai schlüpft herein; sie wirkt verängstigt und elend. Ihre schwarzen Haare sind in Unordnung. Der Blick ihrer dunklen Augen schweift durch das Zimmer – offenbar sucht sie den Farang.

»Er ist Mittagessen gegangen«, erklärt Hock Seng. »Hast du Viyada abgeliefert?«

Mai nickt. »Niemand hat mich gesehen.«

»Gut. Immerhin etwas.«

Mai verneigt sich. Sie hat etwas auf dem Herzen.

»Ja? Was ist?«

Sie zögert. »Die Weißhemden sind überall. Ganz viele. An jeder Kreuzung, von hier bis zum Krankenhaus.«

»Haben sie dich angehalten? Dir Fragen gestellt?«

»Nein. Aber es sind unglaublich viele. Mehr als sonst. Und sie wirken wütend.«

»Der Tiger hat sich mit dem Handelsministerium angelegt. Daran wird es liegen. Mit uns hat das bestimmt nichts zu tun. Davon wissen sie nichts.«

Sie nickt skeptisch, geht jedoch nicht hinaus. »Für mich ist es schwer, weiter hier zu arbeiten«, sagt sie. »Es ist zu gefährlich. Die Krankheit.« Sie stolpert über ihre eigenen Worte. Schließlich sagt sie: »Es tut mir leid. Wenn ich tot bin… Es tut mir leid.«

Hock Seng nickt verständnisvoll. »Ja. Natürlich. Wenn du krank bist, kannst du nicht mehr für dich sorgen.« Im Stillen fragt er sich jedoch, welche Sicherheit sie überhaupt je finden wird.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.